„E-Rezept-Einführung darf keine Fahrt ins Ungewisse werden“
(Münster, 8. Juni 2022) „Zweieinhalb Jahre Pandemie-Bewältigung haben uns in den Apotheken bis an das Äußerste gefordert, aber zugleich auch unsere Rolle als unverzichtbare Versorger im Gesundheitssystem gestärkt.“ Diese selbstbewusste Bilanz zog Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, zum Auftakt der heutigen Kammerversammlung in der Stadthalle Münster-Hiltrup. Erstmals nach zweieinhalb Corona-Jahren, die mit Digital-Sitzungen überbrückt wurden, versammeln sich die 97 Delegierten wieder zu einer gut achtstündigen Präsenztagung.
Neben der Rückschau auf die Pandemiebewältigung und die daraus erwachsenen vielfältigen Zusatzaufgaben für die Apotheken richteten die Delegierten auch den Blick nach vorn. Seit wenigen Tagen steht fest, dass Westfalen-Lippe neben Schleswig-Holstein ab dem 1. September eine von zwei Modellregionen für die Einführung des elektronischen Rezeptes wird. Anfang 2023 soll dann der Rest der Republik nachziehen. „Wir können drei Monate vor dem Start belegen, dass über 98 Prozent der Apotheken mit den für den Start erforderlichen E-Health-Konnektoren, Heilberufsausweisen und Institutionenkarten ausgestattet sind“, so Overwiening. „Wir sind E-Rezept-ready!“
Entscheidend für alle Apotheken sei nunmehr, dass die Versorgung aller Patientinnen und Patienten weiterhin reibungslos funktioniert. Die Kammerpräsidentin fordert daher, „dass verbliebene technische Unzulänglichkeiten im Verarbeitungsprozess von E-Rezepten insbesondere auf Seiten vieler Krankenkassen abgestellt werden und bis dahin nicht zu Retaxationen führen“. Denn: „Die E-Rezept-Einführung darf keine Fahrt ins Ungewisse werden, bei der Krankenkassen den Apotheken aufgrund formaler Faktoren ihre Vergütung für ein Rezept verweigern.“
„Müssen die schlechte Impfquote in Deutschland erhöhen!“
Für politisch weitsichtig hält Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening die Entscheidung des Bundestages, bisherige Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in den Apotheken in die Regelversorgung zu überführen. „Wir nehmen diese Herausforderung gerne an, weil Gesellschaft und Staat unsere Mitwirkung wünschen. Es geht nicht darum, den Ärztinnen und Ärzten die Impflinge abspenstig zu machen, sondern darum, die schlechte Impfquote in Deutschland zu erhöhen.“ Overwiening ist sicher, dass das niedrigschwellige Angebot in der Apotheke dazu beiträgt, neue Bevölkerungsgruppen für die Immunisierung zu gewinnen. Die Kammerpräsidentin zieht zugleich ein positives Fazit der bisherigen Corona-Schutzimpfungen in den Apotheken: „In einer Phase, in der die Impfkampagne langsam ausschlich, haben wir immerhin bundesweit in über 1.000 Apotheken fast 100.000 Menschen geimpft.“ Noch entscheidender sei, dass durch eine Vielzahl an Schulungen mittlerweile gut jede zweite Apotheke impfbereit sei. Allein in Westfalen-Lippe wurden bisher über 1.000 Apothekerinnen und Apotheker qualifiziert.
Weit über 1.000 offene Stellen in den Apotheken in Westfalen-Lippe
Ein weiteres bestimmendes Thema der Frühjahrssitzung war die Entwicklung der Apothekenzahlen und der Fachkräftemangel in Westfalen-Lippe. Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter berichtete: Die Zahl der Arbeitsplätze in den Apotheken erhöhte sich in Westfalen-Lippe erneut auf nunmehr 16.700 (+0,4 Prozent). Zugleich wird im Jahr 2022 im 18. Jahr in Folge die Zahl der Apotheken sinken. „Derzeit zählen wir in den drei Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster nur noch 1.781 Apotheken. Davon werden 474 als Filialen geführt“, so Walter. Der sich daraus ergebende Wert von nur noch 1.307 Selbstständigen sei der niedrigste seit 1968.
„In den vergangenen 20 Jahren haben mehr als zwei von fünf Inhaberinnen und Inhabern ihre Selbstständigkeit aufgegeben. Inzwischen erleben wir die ersten Schließungen aus Personalmangel“, weiß Dr. Andreas Walter um den enormen Fachkräftemangel. In den westfälisch-lippischen Apotheken sind derzeit weit über 1.000 Stellen unbesetzt. Ganz gleich, ob Apotheker*in oder PTA – auf jeden Stellensuchenden kommen derzeit rein rechnerisch 14 bis 15 offene Stellen. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe fordert daher u. a. nach wie vor die Etablierung eines weiteren Hochschulstandortes für Pharmazie in Ostwestfalen. An der Universität Münster werden bereits die Studienkapazitäten ausgeweitet. Möglich wird dies durch eine über zehn Jahre angelegte Stiftungsprofessur der Kammer.
Vorstand und Geschäftsführung entlastet
Einstimmig erteilten die Delegierten dem Vorstand und der Geschäftsführung Entlastung für das Geschäftsjahr 2021. Auch die Jahresabschlüsse von Kammer und Fürsorgeeinrichtung wurden einstimmig bestätigt.
STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 8.078 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil, davon stehen 5.500 aktiv im Berufsleben (zu etwa 80 Prozent in der öffentlichen Apotheke, aber auch in Krankenhausapotheken, Wirtschaft und Verwaltung). In Westfalen-Lippe gibt es aktuell 1.781 Apotheken. Die westfälisch-lippischen Apotheken bieten derzeit 16.632 (Vorjahr: 16.469) wohnortnahe Arbeitsplätze.
STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt, zuletzt 2019. Es umfasst 97 Delegierte.
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