Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein und Sichtbarkeit
(Münster/Berlin, 9. März 2020) Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, wird sich im Dezember 2020 als erste Frau um die Präsidentschaft der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände bewerben. Die ABDA ist der Spitzenverband der jeweils 17 Landesapothekerkammern und -verbände. Im Dezember endet die Amtszeit des aktuellen Präsidenten Friedemann Schmidt, der Ende 2019 erklärt hatte, sich nicht wieder zur Wahl zu stellen. „Mit meiner Kandidatur verbinde ich ein Plädoyer für Ge- und Entschlossenheit in der Arbeit für unseren Beruf“, sagt die 57-jährige Apothekenleiterin aus dem westfälischen Borken. „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind für die Gesundheitsversorgung unverzichtbar. Das gibt uns allen Anlass zu einem deutlich selbstbewussteren Auftreten in der Öffentlichkeit und gegenüber den weiteren Akteuren im Gesundheitswesen“, so Overwiening. „Mein großes Anliegen ist es daher, Stimme und Gesicht der Apothekerschaft zu sein. Wir sind freie Heilberufler. Und wir sind unabhängige Partner auf Augenhöhe – für Ärzte und Krankenkassen, für Verbände und Politik“, lautet das Credo der Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie.
Aktuell seien bereits drei Viertel aller Approbierten Frauen, Tendenz stark steigend. „Da ist es schon erstaunlich, dass bisher noch keine Frau das Ehrenamt an der Spitze unserer Berufsvertretung bekleidet hat“, merkt Overwiening an. Das Engagement für den Berufsstand hält sie in der aktuell herausfordernden Lage für wichtiger denn je: „Zum einen hat uns die Gesundheitspolitik in den letzten Jahren mit ungemeiner Wucht in unserer Wirtschaftskraft beschnitten, aber auch unser Selbstwertgefühl als freie Heilberufler getroffen. Zum anderen erwarten die Patienten mit Recht, dass wir unser Beratungs- und Betreuungsangebot für sie ausbauen – als Stichworte seien Arzneimitteltherapiesicherheit und Medikationsmanagement genannt“, sagt die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Obendrein habe der Digitalisierungsprozess mit hoher Dynamik das Gesundheitssystem erfasst: „Die Aufgabe der ABDA und ihrer Mitgliedsorganisationen wird es sein, die Leitplanken zu definieren, in denen Digitalisierung stattfindet. Die Anwendungen mit dem höchsten Patientennutzen wie beispielsweise der elektronische Medikationsplan müssen forciert werden, und zugleich müssen wir dafür sorgen, dass weder bewährte Versorgungsstrukturen noch Patientenrechte unter die Räder kommen“, sagt Overwiening.
Die in den letzten Jahren u. a. von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe initiierten Modellvorhaben und Versorgungsforschungsprojekte zeigten auf eindrucksvolle Weise auf, wie wichtig gerade das Feld der Arzneimitteltherapiesicherheit sei: „Wenn es darum geht, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln zu detektieren und Unverträglichkeiten aufzudecken, ist die pharmazeutische Expertise unerlässlich. Wir sind die verlässlichen Lotsen im Arzneimitteldschungel – für Patienten wie auch für Ärzte.
Zur Person
Die gebürtige Rekenerin Gabriele Regina Overwiening bekleidet seit September 2009 das Amt der Kammerpräsidentin im Landesteil Westfalen-Lippe, zuvor war sie vier Jahre lang Vizepräsidentin. Von 1983 bis 1987 studierte Overwiening Pharmazie in Hamburg. Danach lernte sie – unter anderem als angestellte Apothekerin in Recklinghausen – die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kennen. Denn Gabriele Regina Overwiening ist zugleich auch Mutter von drei Töchtern und einem Sohn im Alter von 15 bis 33 Jahren. Die beiden ältesten Töchter haben Medizin studiert, ihr Sohn Pharmazie. „Insofern funktioniert die Arzt-Apotheker-Kooperation bereits im Familienkreis sehr erfolgreich“, sagt Overwiening.
Im Jahre 2001 machte sich Gabriele Regina Overwiening als Leiterin der Apotheke am Bahnhof in Reken selbstständig. Und im Jahr 2004 eröffnete sie im kleinen Ortsteil Maria Veen die Apotheke am Benediktushof als Filiale. Für die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist sie seit fast 25 Jahren tätig. Anfangs als Referentin, seit 1997 als Delegierte der Kammerversammlung, seit 2001 als Vorstandsmitglied, von 2005 bis 2009 als Vizepräsidentin und seit 2009 auch als Vorsitzende der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe.
In ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit setzt sie sich sowohl für die Fortentwicklung der besonderen apothekerlichen Leistungen für das Gemeinwohl ein als auch für Rahmenbedingungen, unter denen Apothekerinnen und Apotheker wirtschaftlich arbeiten können. „Wenn wir für die Grundlagen unserer Berufsausübung eine erfolgreiche Arbeit leisten wollen, heißt das auch, dass wir die Strukturen unserer berufsständischen Selbstverwaltung permanent auf den Prüfstand stellen und kontinuierlich fortentwickeln müssen“, betont Overwiening.
Darüber hinaus engagiert sich Gabriele Regina Overwiening auch über den Tellerrand der Pharmazie hinaus, u. a. als Unterstützerin des Wissenschaftlichen Instituts für die Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG), das aus ihrer Sicht „ungemein viele Impulse für die Gesundheitsvorsorge setzt“. Seit 2009 ist sie zudem Projektpatin des apothekerlichen Hilfsprojektes „Eine Dosis Zukunft“ das gemeinsam mit der Kindernothilfe Schutzimpfungen und Tuberkulosebehandlungen für die Kinder in den Slums vom Kalkutta ermöglicht. „Tue Gutes und sprich‘ darüber“ lautet die Devise der Aktion, an der sich mittlerweile über 400 Apotheken in Westfalen-Lippe aktiv beteiligen. Auch als Vorstand der gemeinnützigen Reken-Stiftung bringt Overwiening sich ehrenamtlich ein.
Inhaltliche Kernforderungen
Gabriele Regina Overwiening macht deutlich, dass sie mit ihrer Kandidatur für die ABDA-Präsidentschaft folgende inhaltliche Kernforderungen verbindet:
- Wir Apothekerinnen und Apotheker wollen als mutig und aktiv wahrgenommen werden. Wir müssen uns aus unserer mitunter passiven und duldenden Rolle befreien und dem Anspruch gerecht werden, das Gesundheitssystem maßgeblich mitzugestalten. Dafür müssen wir uns mit konstruktiven und kreativen Lösungsansätzen einbringen und im Versorgungsalltag noch stärker Verantwortung übernehmen.
- Die aktuelle ABDA-Imagekampagne beschreibt uns Apothekerinnen und Apotheker als unverzichtbar. Wenn wir unverzichtbar für die Gesellschaft sind, dann gibt das unbedingten Anlass zu einem selbstbewussten Auftreten, gerade Politik und Öffentlichkeit gegenüber. Unsere Basis nimmt uns bisher viel zu oft als zaghaft wahr. Das müssen wir ändern. Dazu gehört auch der Anspruch, dass wir unsere Positionen sehr deutlich gegenüber den anderen Akteuren im Gesundheitswesen vertreten. Die Apothekerschaft muss sichtbar sein. Aufgabe der ehrenamtlichen ABDA-Spitze ist es daher auch, den Apothekerinnen und Apothekern Gesicht und Stimme zu verleihen.
- Die ABDA als schützendes Dach über alle Apothekerkammern und Apothekerverbände ist eine zutiefst föderal geprägte und demokratisch organisierte Institution. Sie wird dann erfolgreich sein, wenn es eine tragfähige Vertrauens- und Kooperationskultur aller Mitgliedsorganisationen gibt. Demokratisch gefasste Beschlüsse müssen daher verlässlich in die Mitgliedsorganisationen getragen und dort mitverantwortet und aktiv umgesetzt werden.
In gleicher Weise muss ein Dachverband seine Mitglieder durch einen intensiven, zeitnahen und vertrauensvollen Austausch mitnehmen und ihnen auch Gelegenheit geben, eigene Projektideen und Vorschläge einzubringen. Wir brauchen letztlich nicht mehr und nicht weniger als eine Kultur des Miteinanders und des Mitmachens. - Apotheken zählen zu den modernsten und innovativsten Einrichtungen unseres Gesundheitswesens. Wir müssen diese Stellung ausbauen. Dazu bedarf es zeitnah einer Organisationsuntersuchung – einer systematischen Betrachtung unserer Aufgaben, Prozesse, und Strukturen. Daraus folgen die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen, die unserem Bundesverband bereitgestellt werden müssen. Derzeit sind diese nicht ausreichend vorhanden, und das muss korrigiert werden. Für wünschenswert erachte ich, die Etablierung einer apothekerlichen Denkfabrik („Thinktank Apotheke“ mit interner und externer Expertise), um unserer Berufsvertretung die erforderliche Kreativität und Agilität zu sichern.
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