„Pharmazeutische Dienstleistungen nicht mit Rechtsfragen vermengen“
(Münster, 19. Juni 2019) So viel Ungewissheit gab es selten: Mehr als zweieinhalb Jahre nach einem EuGH-Urteil, das ausländischen Versandapotheken Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel erlaubt, warten die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland weiterhin auf eine politische Lösung des Problems: „Wir brauchen eine verlässliche Gleichpreisigkeit über alle Versorgungsformen hinweg“, betonte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening am Mittwoch im Rahmen der Frühjahrssitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlamentes in Münster-Roxel. Die 92 Delegierten hatten sich bei hochsommerlichen Temperaturen zu ihrer zehnten und letzten Arbeitssitzung der Wahlperiode versammelt. Am Mittwoch kommender Woche erfolgt die Stimmenauszählung für die nächste Wahlperiode von 2019 bis 2024, erstmals in einer Kombination aus Online- und Briefwahl.
„Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass uns die bundespolitische Ungewissheit auch bis in die neue Wahlperiode begleiten wird“, sagt Gabriele Regina Overwiening, die in ihrem Lagebericht ein weiteres Grundsatzproblem ansprach: „Die Regierungskoalition versucht, mit einem Gesetzesentwurf das Problem der Ungleichpreisigkeit zu lösen und will mit demselben Gesetz zugleich eine Grundlage dafür schaffen, dass in Zukunft pharmazeutische Dienstleistungen in der Apotheke, unabhängig von der Abgabe von Arzneimittelpackungen, vergütet werden. Wir dürfen diese beiden Vorhaben nicht miteinander vermischen.“ Genau das geschehe jedoch in der aktuellen Debatte durch nahezu allen Beteiligten: „Ich halte es für verantwortungslos, wenn Vertreter unseres Berufsstandes diesen Einstieg in eine neue pharmazeutische Welt mit Blick auf ungelöste Rechtsfragen in Bezug auf den Versandhandel blockieren“, kritisiert Overwiening. „Nicht minder verantwortungslos agieren aber auch Politiker, wenn sie ebendiesen Einstieg mit unserer Zustimmung zu einem rechtlich womöglich wackeligen Kompromiss verknüpfen.“
Ein weiteres bestimmendes Thema der Frühjahrsitzung war die Sicherung einer wohnortnahen Gesundheitsversorgung mit Schwerpunkt auf dem ländlichen Raum: Wie sichern wir die Versorgung der Patienten durch die Apotheke, wenn Arztpraxen schließen? Wie halten wir dann Apotheken in den Städten und Stadtteilen, bis dort wieder neue Ärzte sesshaft werden? Wie können wir die Digitalisierung nutzen, um Versorgung zu stabilisieren? Diesen Fragen gingen die Delegierten nach einem Impulsvortrag von Helmut Watzlawik, Abteilungsleiter im NRW-Gesundheitsministerium, nach.
Zahlen, Daten, Fakten aus Westfalen-Lippe
Dass es gerade im ländlichen Raum Handlungsbedarf gibt, zeigen die wichtigsten Kennziffern des Jahres 2018, die Overwiening am Mittwoch vorlegte: Die Zahl der Arbeitsplätze in den Apotheken erhöhte sich in Westfalen-Lippe zwar minimal von 16.469 auf 16.632, allerdings bei einem deutlichen Trend zu mehr Teilzeitarbeit. Zum Jahresende 2018 sank die Zahl der Apotheken im 14. Jahr in Folge: Der Rückgang um 51 von 1.973 auf 1.922 ist der stärkste in der 73-jährigen Geschichte der Kammer.
Zum 30. Juni 2019 werden es sogar nur noch 1.910 Apotheken sein: Die Kammer muss zu diesem Stichtag weitere 16 Schließungen registrieren – bei nur vier Neueröffnungen. In dieser Zahl enthalten sind bereits 478 Apotheken, die als Filiale betrieben werden und eine Zweigapotheke. „In Westfalen-Lippe gibt es aktuell also nur noch 1.431 Hauptapotheken. Das ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 1970“, so Gabriele Regina Overwiening. Anders formuliert: In den vergangenen 15 Jahren haben zwei von fünf Inhabern ihre Selbstständigkeit aufgegeben.
STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 7.900 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil, davon stehen 5.500 aktiv im Berufsleben (zu etwa 80 Prozent in der öffentlichen Apotheke, aber auch in Krankenhausapotheken, Wirtschaft und Verwaltung). In Westfalen-Lippe gibt es aktuell 1.910 Apotheken. Die westfälisch-lippischen Apotheken bieten derzeit 16.632 (Vorjahr: 16.469) wohnortnahe Arbeitsplätze.
STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt. Es umfasst aktuell 92 Delegierte, ab der nächsten Wahlperiode 97 Delegierte. Die Kammerwahlen für die Wahlperiode 2019 bis 2024 enden am Dienstag, 25. Juni 2019. Die Auszählung erfolgt am Tag danach. Als erste Heilberufskammer bundesweit hat die AKWL diese Wahl als Kombination aus Briefwahl und Online-Wahl durchgeführt.
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