Minister Spahn: „Wild-West bei Boni beenden“
(Münster, 23. März 2019) Rekord! Über 1.340 Apothekerinnen und Apotheker, Pharmaziestudierende und PTA verhalfen dem Westfälisch-lippischen Apothekertag (WLAT) in seiner siebten Auflage zu einer neuen Besucher-Bestmarke. Damit avanciert die Veranstaltung der Apothekerkammer-Westfalen-Lippe erneut zum größten regionalen Fortbildungskongress der Apothekerschaft im deutschsprachigen Raum. Der WLAT sendet ein Zeichen der Einigkeit innerhalb des Berufsstandes, wie es Kammerpräsidentin und Gastgeberin Gabriele Regina Overwiening zu Beginn verdeutlichte: „Dieser Kongress zeigt unser starkes apothekerliches Wir, das als Stärke und Unverzichtbarkeit der Apothekerinnen und Apotheker von Politik und Öffentlichkeit deutlich wahrgenommen wird.“
Mit besonderer Spannung verfolgten die Kongressteilnehmer die politische Eröffnung, in der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erstmals seine am Dienstag dieser Woche bekannt gewordenen neuen Pläne erläuterte, mit denen er die flächendeckende Arzneimittelversorgung – in der Stadt wie auf dem Lande – sichern möchte: „Die Verankerung des Verbots von Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel im Sozialgesetzbuch ist ein gangbarer Weg, die Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort zu sichern. Es ist mein Ziel, Wild-West bei den Boni zu beenden.“ Overwiening hatte zuvor eindringlich an Spahn appelliert, endlich zu handeln. Dazu der Bundesgesundheitsminister: „Noch im April gehen wir ins Gesetzgebungsverfahren.“ Spahn weiter zum Zeitplan: „Die Messe ist noch nicht gelesen, aber die Fürbitten haben wir schon.“ Er spiele hier keinesfalls auf Zeit. Zudem erklärte Spahn, die Fachkompetenz der Apotheker besser nutzen und rechtliche Rahmenbedingungen für die Ausweitung der Möglichkeiten schaffen zu wollen: „Warum soll die jährliche Grippeimpfung nicht in der Apotheke stattfinden?“ Auch eine Folgeverordnung von Arzneimitteln für gut auf ihre Medikamente eingestellte chronisch kranke Patienten könne er sich gut vorstellen. Zudem erklärte Spahn, die Honorierung des Nacht- und Notdienstes zu verbessern.
Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening begrüßte das Ziel von Minister Spahn, die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel wieder herzustellen und zu zementieren, wenn dies rechtssicher möglich ist. Sie forderte zugleich, die von Spahn angedachten Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen nach oben anzupassen: „Hier ist noch Korrekturbedarf.“
Die bedeutende Rolle der Apothekerinnen und Apotheker in der Gesellschaft hatte zuvor auch Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe herausgestellt. Für seine Beteiligung an der Bürgermeister-Aktion, die sich für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheken einsetzt, war er kritisiert worden. Beim WLAT verteidigte er sein ehrenamtliches Engagement: „Apotheken sind Orte der menschlichen Begegnung, des Vertrauens. Diese können digital nicht ersetzt werden.“
Auf Lewes Bekenntnis zur Apotheke vor Ort stellte Overwiening heraus: „Sie verkörpern das, was unsere langjährige grüne Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens gebetsmühlenhaft gefordert hat: Den Einsatz für das so wichtige Ziel, die wohnortnahe Apotheke im Quartier zu sichern. Wo die Menschen älter und kränker werden, gehört die nächste Apotheke in Pantoffelnähe, also in fußläufige Entfernung.“ Overwiening weiter: „Daher mutet es für mich wie ein schlechter Witz an, wenn jetzt ausgerechnet die Grünen in der Stadt Münster den Oberbürgermeister für seine Beteiligung an dieser Aktion kritisieren. Ich persönlich halte das für nur schwer erträglich und ich empfehle den Grünen in Münster Nachhilfe bei ihrem Parteivorsitzenden Robert Habeck zu nehmen.“ Dieser habe nämlich lobend herausgestellt, dass die Apotheke vor Ort viel Geld in den barrierefreien Umbau investiere, während große Versandkonzerne in Deutschland keinen Cent Steuern zahlen.
Landesgesundheitsminister und WLAT-Schirmherr Karl-Josef Laumann betonte in seiner Ansprache, dass er nicht bereit sei, das System der Arzneimittelversorgung, das ohne Frage gut funktioniere, ohne Not zu opfern: Zu Spahns Plänen bezog er klipp und klar Stellung: „Nordrhein-Westfalen und ich wollen das Versandverbot, aber Politik ist die Kunst des Machbaren. Aber Spahns Vorschlag sei ein vernünftiger Schritt um zu signalisieren, „dass wir keine Preisunterschiede dulden“. Wichtig seien die Sanktionsmöglichkeiten, um Versandhändler, die sich nicht an die Verbote halten, „katholisch machen zu können“.
Begonnen hatte der Kongress mit einer inspirierenden Keynote von Dr. Franz Alt, langjähriger Leiter des ARD-Magazins „Report Baden-Baden“ und „Grandseigneur“ des Deutschen Fernsehens. Franz Alt sprach zum Thema „Lust auf Zukunft: Wie unsere Gesellschaft die Wende schaffen wird“. Mit dieser Liebeserklärung an die Zukunft zeigte er eindrucksvoll, warum es nötig ist, unseren Heimatplaneten für die nachfolgenden Generationen lebenswert zu erhalten. „Wenn wir weitermachen wie bisher, wird in 50 Jahren jeder zweite Mensch auf dieser Erde den Folgen des Klimawandels zum Opfer fallen“, zeichnete Alt ein düsteres Bild für die Zukunft des Planeten Erde und fragte: „Wie wäre es stattdessen, wenn wir einfach mal anfangen würden, uns auf unserem Planeten anständig zu benehmen?“ Das UN-Klimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015, dessen Beschlüsse die globale Erwärmung eindämmen sollen, sei richtig und wichtig: „Dafür muss man die Beschlüsse jedoch auch umsetzen. Damit schlug er den Bogen zur Fridays for Future-Bewegung: Den Kritikern, die den Schülern das Schule-Schwänzen vorwerfen, entgegnete Franz Alt: „Wenn die Politik ihre eigenen Beschlüsse umsetzen würden, müssten die Schüler gar nicht erst auf die Straße gehen.“ Für Alt liegt die Rettung der Erde in den regenerativen Energien: „Die Sonne stellt keine Rechnung“ lautet seine einleuchtende Maxime. Sowohl ökologisch als auch ökonomisch sind Sonne und Wind die einzigen Möglichkeiten, um die endlichen Ressourcen Erdöl, Kohle und Gas zu ersetzen und das Überleben der Menschheit zu sichern. Viele Bücher wechselten im Anschluss an den Vortrag den Besitzer – Original-Unterschrift des Autors inklusive.
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