Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten
(Münster, 12. Oktober 2017) Während sich in diesen Tagen die Parteien im Bundestag und ihre Fraktionen neu sortieren, appellieren die Apotheker vor Ort an die frisch gewählten Abgeordneten in Westfalen-Lippe, die Sicherung einer wohnortnahen Arzneimittelversorgung nicht aus dem Blick zu verlieren. Apothekerin Gabriele Regina Overwiening richtet sich insbesondere an die Vertreter einer möglichen Jamaika-Koalition: „Die zukünftige Bundesregierung muss das Wohl der Patienten, die auf eine flächendeckende Versorgung in Stadt und Land angewiesen sind, in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen und nicht die Umsatzinteressen international agierender Konzerne“, erklärt Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Overwiening macht es ganz konkret: „Daher brauchen wir möglichst schnell nach Regierungsbildung das Versandverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Das ist der einzige Weg, um das Überleben der Apotheke vor Ort und die Versorgung in der Fläche zu sichern – und zwar rund um die Uhr.“
„Bislang mussten sich auch die Versender aus dem Ausland an die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel halten, da entschied die Qualität der Beratung, wo die Menschen ihre Rezepte eingereicht haben. Wir sind jederzeit bereit, uns dem Wettbewerb um Qualität zu stellen.“ Doch seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes Ende 2016 dürfen ausländische Versender Boni gewähren und müssen sich nicht mehr an die Arzneimittelpreisverordnung halten. „Daher muss der Arzneimittelversand auf das europarechtlich erlaubte Maß zurückgeführt werden – nur noch verschreibungsfreie Arzneimittel sollen versandt werden dürfen. Denn unter den aktuellen Bedingungen ist das deutsche Gesundheitssystem in Gefahr – vor allem in der Fläche.“
Overwiening erklärt die Problematik: „Versender aus dem Ausland betreiben Rosinen-Pickerei: Was keinen Profit bringt, wird in der Regel abgelehnt.“ Anders die Apotheke vor Ort: Viele der zahlreichen Leistungen der öffentlichen Apotheke wie der Notdienst rund um die Uhr, die Herstellung von Individualrezepturen oder auch die Abgabe von Betäubungsmitteln sind faktisch ein Minusgeschäft und gleichzeitig Aufgaben, vor denen sich die Versender aus dem Ausland drücken. Diese Gemeinwohlpflichten werden – in der Innenstadt, auf dem Land oder in strukturschwachen Stadtrandlagen – über die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel finanziert.
Am Ende müsse auch die Apotheke vor Ort, die in Deutschland von einem persönlich haftenden approbierten Inhaber geführt wird, wirtschaftlich arbeiten. Steckt ein börsennotierter Finanzkonzern dahinter, kann ein Versender jahrelang Geld verbrennen, bis die Struktur vor Ort zerstört ist. „Dann gehen die Preise hoch – wie bei jedem Monopol.“ Schon jetzt sei die Versorgung der Bevölkerung durch die Apotheken günstig: „Der Wertschöpfungsanteil – sprich das, was in den Apotheken am Ende des Tages verdient wird – beträgt nur 2,3 Prozent des Gesamtvolumens der Gesetzlichen Krankenversicherungen. Allein die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen liegen mit 4,8 Prozent mehr als doppelt so hoch.“
Kammerpräsidentin Overwiening lädt alle aus dem Wahlkreis in den Bundestag entsandten Abgeordneten der demokratischen Parteien ein: „Überzeugen Sie sich vor Ort von den Leistungen, die jeden Tag in der öffentlichen Apotheke erbracht werden. Sie werden sehen, dass es Sinn macht, an den bewährten Regeln festzuhalten.“