Apotheker sehen die Versorgung vor Ort gefährdet
(Kr. Recklinghausen/Marl, 7. April 2017) Seitdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) Ende 2016 entschieden hat, dass ausländische Versandapotheken Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren dürfen, sehen auch die Apotheker im Kreis Recklinghausen die Arzneimittelversorgung vor Ort gefährdet. Hierüber sprachen nun die Apotheker Christian Zeidler (Alte Apotheke, Datteln), Anne Schmitz (Glückauf-Apotheke, Datteln), und Irini Zervas(Quellberg-Apotheke, Recklinghausen) mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Groß aus dem Wahlkreis Recklinghausen II in Marl. Kein leichtes Unterfangen – hatte die Bundes-SPD doch im Koalitionsausschuss Ende März dem Entwurf des Gesundheitsministers Gröhe, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, eine Absage erteilt.
Für die Apotheken vor Ort gilt nach wie vor die Arzneimittelpreisverordnung. Das heißt, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel bundesweit gleich viel kosten „Und das ist auch gut so. Die Arzneimittelpreisverordnung schützt die Patienten vor willkürlicher Preisfestsetzung beispielsweise bei starken Schmerzen in der Nacht“, wie Anne Schmitz, Vertrauensapothekerin im Kreis Recklinghausen betont. „So ist das allerdings kein fairer Wettbewerb.“ „Die Apotheke vor Ort ist wesentlich mehr, als nur Schubladenziehen“, erläutert der Dattelner Apotheker Zeidler weiter. „Nacht- und Notdienste, eine aufwändige individuelle Rezepturherstellung sowie die Versorgung schwerstkranker Patienten mit Betäubungsmitteln sind äußerst wichtig für die Menschen vor Ort. All dies leisten keine Versandapotheken, die picken sich nur die Rosinen heraus.“
Michael Groß versicherte, die Sorgen der Apotheker ernst zu nehmen. Auch er lege großen Wert auf die Versorgungssicherheit und setze sich für die Arzneimittelversorgung in der Fläche ein. „Es gilt jedoch zu beachten, dass eine zunehmende Tendenz zum Online-Handel besteht. Die Frage ist, ob wir das stoppen wollen.“ wandte er sich an die Gesprächsrunde. Die Apothekerin Irini Zervas fand hierauf eine klare Antwort: „ Wir brauchen den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht. Jede Apotheke hat heutzutage einen Botendienst, das heißt jedes Arzneimittel ist binnen weniger Stunden beim Patienten. Dabei erhält der Patient eine individuelle Beratung von Mensch zu Mensch. Für abgelegene Wohngebiete haben wir Rezeptsammelstellen eingerichtet. Daher gibt es keine weißen Flecken auf der Landkarte, die auf anderem Wege versorgt werden müssten.“
Die Zahl der traditionellen Apotheken ist bundesweit rückläufig. 2011 gab es noch 22.600 Apotheken, inzwischen ist die Zahl unter 20.000 gesunken. Bedroht sind 150.000 Arbeitsplätze in Deutschland, und auch in Westfalen-Lippe sind die Apothekenzahlen seit Jahren rückläufig. 2011 gab es hier noch 2203 Apotheken, derzeit haben hier 1998 Apotheken geöffnet. Insbesondere die kleinen Dorfapotheken und solche in strukturschwachen Stadtrandlagen seien hiervon betroffen, wie die Apotheker dem Bundestagsabgeordneten erläutern. Die Schieflage durch das EuGH-Urteil verstärke dieses Phänomen.
Auf die Frage, warum die SPD den Gesetzesvorschlag von Hermann Gröhe zum Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht unterstütze, erläuterte Michael Groß: „Wir befinden uns derzeit in der Diskussion und haben noch nicht abschließend entschieden. Die SPD auf Landesebene hat sich klar zum Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln positioniert, was wir ebenfalls in die Überlegungen mit einbeziehen.“ Groß versprach, die Argumente aus dem ausführlichen Gespräch mit nach Berlin zu nehmen und in die Diskussion einfließen zu lassen. Apotheker und Politiker haben vereinbart, dass Groß einen Tag als Praktikant in einer Apotheke verbringen wird. Es gelte, weitere Einblicke zu gewinnen und im Gespräch zu bleiben.
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