„Bisher war auf die meisten Medikationspläne kein Verlass“
(Münster, 7. Dezember 2016) Bisher war auf die meisten Medikationspläne kein Verlass. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommen Apothekerin Isabel Waltering, PharmD (Universität Münster), Dr. Oliver Schwalbe (Apothekerkammer Westfalen-Lippe) und Professor Dr. Georg Hempel (Universität Münster) in einer Versorgungsforschungsstudie, die im November im Fachjournal „Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen“ veröffentlicht wurde.
Die Pharmazeuten werteten bei ihrer Querschnittstudie im Rahmen einer Medikationsanalyse die Daten von 500 Patienten aus. Beteiligt waren daran 127 Apothekerinnen und Apotheker, die im Rahmen ihrer Ausbildung zum AMTS-Manager eine sogenannte Brown-Bag-Analyse durchführten und auf diese Weise die aktuelle Medikation der Patienten mit einer vorhandenen Medikationsliste abglichen.
„Keine der 399 Medikationslisten enthielt für alle Arzneimittel Informationen in den einzelnen Kategorien der bundeseinheitlichen Vorgabe“, stellen Waltering, Schwalbe und Hempel fest. Der Fertigarzneimittelname war in einem Drittel der Medikationslisten (33,8 Prozent für alle Arzneimittel angegeben, von denen 41 Prozent nicht mit dem tatsächlich verwendeten Arzneimittel übereinstimmten. Zudem wurden Fertigarzneimittelnamen häufig gemischt mit der Wirkstoffbezeichnung aufgelistet. Dosierungen fehlten bei 34,6% der Arzneimittel sowie bei 80,2% die Arzneiform, bei 95,2% die Indikation und bei 96,7% die Einnahmehinweise.
Die lückenhaften Daten waren zudem oftmals nicht einmal aktuell: Das Alter der Pläne lag im Schnitt bei 4,5 Monaten mit einer Spannbreite von 0 bis 12 Monaten. Nach zwei Monaten stieg die Anzahl der Abweichungen zwischen Plan und tatsächlicher Einnahme um die Hälfte an. Die Autoren empfehlen daher: „Aktualisiert werden sollten die Pläne sinnvollerweise bei jeder Änderung, aber generell alle drei Monate beziehungsweise einmal im Quartal.“
Ein vollständiger aktueller und einheitlicher Medikationsplan sei grundsätzlich notwendig zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit. Dies gilt besonders für multimorbide Patienten. „Damit dieses Ziel erreicht werden kann, ist eine Reihe von Angaben wichtig“, resümieren Waltering, Schwalbe und Hempel und fügen hinzu: „Mit den Vorgaben des einheitlichen bundeseinheitlichen Medikationsplans werden diese Ansprüche erfüllt, daher ist eine Implementierung in der jetzt vorliegenden Form sehr sinnvoll.“
Um den Medikationsplan so einzusetzen, dass alle Beteiligten, besonders aber die Patienten davon profitieren, sei eine interprofessionelle Zusammenarbeit und Nutzung der verschiedenen Kompetenzen unabdingbar. Jede Änderung der Medikation sollte von der jeweiligen Profession umgehend vorgenommen werden, inklusive einer Aktualisierung der Pläne einmal im Quartal. Eine Umsetzung in der Fläche fordert einen erheblichen Aufwand und Kommunikation aller Beteiligten. Keine der beteiligten Professionen könne diese sinnvolle Aufgabe alleine bewältigen, so die Autoren, die abschließend fordern: „Eine Vernetzung und einfach zu bedienende Software-Lösungen auf Basis des einheitlichen patientenbezogenen Medikationsplans sollten etabliert und Zuständigkeiten sowie Informationswege definiert werden.“
Zum Hintergrund:
Das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) sieht vor, dass Patienten, die drei oder mehr verordnete Arzneimittel anwenden, seit dem 1. Oktober 2016 einen Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan haben. Der Medikationsplan wird vom verordnenden Arzt ausgefertigt. Die Apotheke hat die Aktualisierung des Medikationsplans bei Abgabe eines Arzneimittels auf Wunsch des Versicherten vorzunehmen. Eine Medikationsanalyse in der Apotheke zur Erfassung der Gesamtmedikation ist vom Gesetzgeber bisher nicht vorgesehen.
Isabel Waltering, Oliver Schwalbe, Georg Hempel:
Informationsgehalt von Medikationsplänen vor dem Hintergrund der Einführung des einheitlichen patientenbezogenen Medikationsplans. Information content of medication schedules prior to the implementation of the federal standard medication plan. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 2016, Ausgaben 115-116, S. 24-32.