„Sozial ist, was nah am Menschen ist“
(Münster, 5. Dezember 2016) Mit 100 Notdienstschichten, 25.000 Botendiensten und 400.000 Patientenkontakten täglich: Die 2.000 Apotheken in Westfalen-Lippe garantieren mit 16.000 sozialversichert Beschäftigten eine sichere, flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung. „Neben der Beratung und der Abgabe von Arzneimitteln ist die Apotheke vor Ort für Menschen jeden Alters eine vertrauensvolle und kompetente Anlaufstelle in allen Gesundheitsfragen“, erklärt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Gerade angesichts öffentlicher Diskussionen zum Arzneimittelversandhandel stellt sie heraus: „Unsere Apotheken sind ein gelebtes Stück Sozialwesen.“
Feste Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel
Während für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland seit 2004 freie Preise gelten, verhält es sich bei rezeptpflichtigen Medikamenten anders. „Rezeptpflichtige Arzneimittel unterliegen einer strengen Preisbindung: Sie müssen also in jeder Apotheke in Deutschland zu den gleichen Konditionen angeboten werden“, sagt Overwiening. „Im Krankheitsfall müssen Patienten daher keine Preisvergleiche anstellen, sondern erhalten bundesweit zu den gleichen Bedingungen Unterstützung.“ Beim Arzt oder im Krankenhaus sei dies übrigens ebenso. Zudem verhinderten feste Preise einen destruktiven Wettbewerb. Apothekerin Overwiening zeigt mögliche Folgen auf: „Dieser würde besonders am Stadtrand und auf dem Land zu einer starken Ausdünnung des Apothekennetzes und damit zu einer schlechteren Patientenversorgung führen.“
EuGH-Urteil: Preisbindung gilt nicht für ausländische Versandapotheken
Der Europäische Gerichtshof hat am 19. Oktober entschieden, dass diese Preisbindung nicht für ausländische Versandapotheken gilt. „Wer im Ausland sitzt, leistet keinen Nachtdienst in der Nachbarschaft, stellt keine Rezepturarzneimittel her, kann kein dringendes Rezept innerhalb kürzester Zeit bedienen, keinem Patienten die Anwendung eines Asthmasprays mit eigenen Händen demonstrieren. Es fehlt der persönliche Kontakt, die menschliche Zuwendung, die gerade bei Krankheit so wichtig wird. Die Apotheke vor Ort bietet all das.“ In Deutschland gebe es keine „Apotheke light“, so die Kammerpräsidentin: „Wir leisten auch das, was keinen Gewinn bringt. Wir beantworten auch Fragen von Patienten, die nichts kaufen oder raten von einer medikamentösen Therapie ab. Die ausländischen Versandapotheken picken sich lediglich die Rosinen heraus.“
Appell an Politik und Bürger
Sollte die Politik nicht aktiv werden und den Versand auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel beschränken, würden besonders Menschen auf dem Land und in Stadtrandlagen die Folgen spüren: „So manche dort ansässige Apotheke kann dem zusätzlichen Wettbewerbsdruck nicht standhalten und muss aufgeben. Sie fehlt dann in der wohnortnahen Patientenversorgung rund um die Uhr.“ Mit einer Beschränkung sei man in Europa übrigens kein Exot: „Nur in sieben der 28 EU-Mitgliedsstaaten dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel überhaupt versandt werden.“ Apothekerin Gabriele Regina Overwiening mahnt: „Die Bevölkerung muss sich entscheiden, ob sie auch auf den Paketboten vertrauen möchte, wenn man nachts um drei das Durchfallmedikament für das Kleinkind benötig. Jeder Einzelne muss sich entscheiden, ob er in Zukunft, wenn es um die eigene Gesundheit vielleicht schlechter bestellt ist, auf die lokalen Strukturen des Gesundheitssystems verzichten will oder kann.“