Apothekerparlament fordert Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel
(Münster, 30. November 2016) Die Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe fordern ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. „Dies ist der beste Weg, um die Schieflage zu beenden, in die unser Gesundheitssystem durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Oktober geraten ist“, sagt Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Seit dem EuGH-Urteil können ausländische Versandapotheken Patienten sogenannte Rezeptboni gewähren. Für deutsche Apotheken gelten aber weiterhin die in der Arzneimittelpreisverordnung geregelten festen Abgabepreise.
In der Konsequenz führt der Entscheid der Europarichter zu einer absurden Entwicklung: Patienten, die von der Zuzahlung befreit sind, erhalten nicht nur ihre Arzneimittel kostenlos, sondern können mit jedem Rezept auch noch Geld verdienen. Aktuell werben ausländische Versandapotheken bereits mit bis zu 30 Euro Rezeptbonus. „Wenn die Patienten letztlich dafür bezahlt werden, wenn sie besonders viele Arzneimittel im Ausland bestellen, wird damit das Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenkassen zerstört“, kritisiert Overwiening. „Das führt zu einer Perversion unseres bewährten Systems, das dafür sorgt, dass jeder Kranke unabhängig von seinem Einkommen die notwendigen Arzneimittel aus der Apotheke seiner Wahl erhält.“
Die Delegierten des Apothekerparlamentes kritisierten in der heutigen Sitzung, dass Europas Richter den ausländischen Versandapotheken trotz beschränkter Leistung einen völlig ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschafft hätten. Kammerpräsidentin Overwiening stellt heraus: „Wir brauchen das Versandhandelsverbot, damit die Vor-Ort-Versorgung durch Apotheken auch in Zukunft gesichert ist. Bei Rezepten bedarf es keines sinnlosen Preiswettbewerbes, sondern eines echten Qualitäts- und Leistungswettbewerbes für Menschen mit großer und kleiner Brieftasche. “
Zahl der Apotheken sinkt im elften Jahr in Folge
Wie wichtig die Sicherung der wohnortnahen Versorgung ist, macht Dr. Andreas Walter, Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer, anhand der diesjährigen Entwicklung der Apothekenzahlen deutlich. Aktuell (Stand 30. November 2016) gibt es in Westfalen-Lippe noch 2.006 Apotheken. Zum Jahresende 2015 waren es noch 2.020. „Die Zahl der Apotheken ist damit im elften Jahr in Folge zurückgegangen. Seither sind etwa 250 Apotheken von der Bildfläche verschwunden“, so Dr. Andreas Walter.
Hinter den 2.006 Apotheken stehen mittlerweile nur noch 1.540 Apotheken-inhaber/-innen (im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 46). Denn 466 Apotheken werden als Filialen geführt. „Die Zahl der Inhaberinnen und Inhaber ist damit auf den Stand des Jahres 1973 zurückgefallen“, verdeutlicht Walter und fügt hinzu. „Eigentlich bräuchten wir dringend Anreize, damit sich junge Apothekerinnen und Apotheker wieder verstärkt in die Selbständigkeit wagen. Durch das EuGH-Urteil gibt es derzeit leider wieder ein Argument mehr gegen die Neugründung oder Übernahme einer Apotheke.“
Beitragssatz sinkt
Die Kammerversammlung tagt am heutigen Mittwoch noch bis in den frühen Abend. Auf dem Programm steht unter anderem der Haushaltsplan für das Jahr 2017 mit einem Gesamtvolumen von etwa sieben Millionen Euro. Aufgrund des schwierigen Umfeldes für die Apotheken sieht der Haushaltsplan eine Reduzierung des Beitragssatzes für alle Apotheken-inhaber-/innen um mehr als fünf Prozent vor. Er reduziert sich von 0,98 auf 0,93 Promille des Apothekenumsatzes (- 5,1 Prozent). Dr. Andreas Walter verdeutlicht. „Wir sind damit eine der Apothekerkammern mit dem niedrigsten Beitragssatz bundesweit.“
Zum Thema: Sachleistungsprinzip
Die Kosten für Arzneimittel werden nach dem Sachleistungsprinzip von der GKV erstattet. Versicherte bezahlen in der Regel nur eine Zuzahlung in Höhe von zehn Prozent des Arzneimittelpreises – mindestens fünf und höchstens zehn Euro. Die Zuzahlung wird von Apotheken eingezogen und in voller Höhe an die GKV abgeführt. Es gibt bundesweit rund 6,7 Mio. gesetzlich Versicherte, die durch ihre jeweilige Krankenkasse von der Zuzahlung befreit sind. Overwiening: „Es ist richtig, dass chronisch Erkrankte von der Zuzahlung befreit werden können. Das schützt den Einzelnen vor Überforderung.“
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