4. Münsteraner Gesundheitsgespräche

Gesundheitsministerin Steffens: Datenaustausch ist nicht dasselbe wie die Kommunikation der Heilberufler

(Münster, 20. April 2016) 125 Vertreterinnen und Vertreter der Apotheker- und Ärzteschaft, von Selbsthilfegruppen, Gesundheitsberater, Medizinrechtler, zahlreiche Journalisten, Hochschullehrer, Vertreter der Fachschaft Pharmazie, aus der Erwachsenenbildung und Kommunalpolitik folgten am Dienstag der Einladung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe zu den 4. Münsteraner Gesundheitsgesprächen. Die Fachtagung stand unter dem Motto „Heilberufe Hand in Hand“, das zugleich ein zentrales Anliegen von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens ist: „Die verlässliche Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker ist enorm wichtig, um eine bessere Versorgung der Patienten zu erreichen.“

Dabei sei es wichtig zu verstehen, dass es bei der interprofessionellen Zusammenarbeit nicht nur um den reinen Austausch von Patientendaten gehe. „Man muss auch einmal den Telefonhörer in die Hand nehmen und miteinander sprechen. Datenaustausch ist nicht dasselbe wie die Kommunikation der Heilberufler.“ Steffens prognostizierte, dass zukünftig weniger finanzielle Ressourcen im Gesundheitssystem bereitstehen würden und eine alternde Gesellschaft von vermutlich auch weniger Ärzten und Apothekern zu versorgen sei. Sie setze daher auf eine neue Rolle von Apothekern und Ärzten, die die Begleitung, Koordination und Kommunikation innerhalb der Versorgung im Quartier sichern sollen.

„Nur wenn Ärzte und Apotheker die gleichen Botschaften überbringen, können die Patienten optimal behandelt werden“, betonte Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, in seinem Auftakt-Statement. Er beschwor zugleich den „Geist von Nottuln“ – wo Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft ihr verstärktes Miteinander im sogenannten „Baumberger Impuls“ bekräftigt hatten: „Wir lassen uns nicht mehr gegenseitig ausspielen“, kündigte Windhorst an.

Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening stellte heraus, dass es neben dem Trend zur Selbstoptimierung der Kunden und Patienten auch ein deutlich vergrößertes Informationsangebot gebe. Man dürfe die Kommunikation aber nicht „Dr. Google“ oder gar dem Gesetzgeber überlassen, sonst führe dies zu so abstrusen Ideen wie der „Schmerzmittel-Warnhinweis-Verordnung“. Rückblickend hätte man sich schon deutlich früher um den Aufbau einheitlicher Kommunikationsstandards zwischen Arzt und Apotheker kümmern sollen. Dies hätte deutlich mehr zur Arzneimitteltherapiesicherheit beigetragen, so die Kammerpräsidentin. Mit Blick auf die Zukunft und im Quervergleich mit anderen Gesundheitssystemen stellte Overwiening fest: „Wenn wir das Miteinander der Heilberufe im Gesundheitswesen verstärken, dann stärken wir ganz automatisch das gesamte System.“

Baum stellt Studie der Apothekerstiftung vor
Im Rahmen der Münsteraner Gesundheitsgespräche stellte der Kommunikationswissenschaftler Professor Dr. Achim Baum (Osnabrück) die Ergebnisse einer Studie vor, die die Arzneimitteltherapiesicherheit in der Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern thematisiert. An einer schriftlichen Befragung hatten sich 716 von 2.040 Apotheken in Westfalen-Lippe beteiligt. Ergänzt wurde die Studie um Fokusgruppendiskussionen mit Apothekern und Ärzten.

„In der Regel geht die Initiative für den Informationsaustausch der beiden Berufsgruppen vom Apotheker aus, der aufgrund von Patientenbeschwerden oder Rückfragen administrativer oder pharmazeutischer Natur den Kontakt mit der Arztpraxis aufnimmt“, so Professor Dr. Achim Baum. Dies geschehe bei etwa 90 Prozent der Befragten öfter als fünf Mal in der Woche, bei insgesamt zwei Dritteln sogar zehn Mal wöchentlich und öfter. Angesichts der neuen digitalen Möglichkeiten und der Veränderungen im Verhalten seien Ärzte und Apotheker gut beraten, verstärkt den Schulterschluss zu suchen. Baum: „Nur durch die Bündelung der Kompetenzen bei der Betreuung und Beratung der Patienten werden sie dem Druck durch den sogenannten „Zweiten Gesundheitsmarkt“ und die stärkere Konsumentenhaltung der Patienten etwas entgegensetzen können. „Die Arzneimitteltherapie-Sicherheit sei dabei nur der Lackmus-Test“, so der Kommunikationswissenschaftler.

„Das Kreuz mit dem Kreuz“
Mit einer Diskussionsrunde schloss die vierte Auflage der Münsteraner Gesundheitsgespräche ab: Das „Hand in Hand“ der Heilberufe bewertete Günter van Aalst (Techniker Krankenkasse) als positiv, fügte zugleich aber hinzu: „Es liegt ein sehr langer Prozess vor uns, bei dem man die Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht ausblenden darf.“ Dirk Meyer, der Patientenbeauftragte der NRW-Landesregierung, mahnt an: „Es muss dabei auch um gegenseitige fachliche Kritik zum Wohle des Patienten gehen – diese sollte nicht als Grenzüberschreitung, sondern als etwas Positives aufgenommen werden.“ Dr. Andreas Walter, Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, berichtet, dass man im bisherigen Gesprächsprozess bereits mit einer Reihe von Missverständnissen habe aufräumen können: „So waren die Apotheker bei vielen Ärzten nicht als Fachleute für Pharmakologie abgespeichert. Dabei ist das ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres Studiums.“

Dr. Eckhard Kampe, Allgemeinmediziner aus Bochum, stellte heraus, dass das Miteinander beider Professionen vor allem „durch das Kreuz mit dem Kreuz“, sprich den permanenten Austausch über korrekt ausgefüllte Rezepte überlagert werde. Ansonsten sei gerade bei den jungen Ärztinnen und Ärzten die Bereitschaft zum vernetzten Arbeiten und zum Teamwork stark ausgeprägt. Dies bestätigte auch Frank Dieckerhoff, Apotheker aus Dortmund und Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Westfalen-Lippe: „In den letzten zweieinhalb Jahren haben 540 Apotheker unser Ausbildungsangebot zum AMTS-Manager durchlaufen, bis zum Jahresende werden es sogar über 750 sein – und dies, obwohl es hierfür keinerlei zusätzliche Vergütungsanreize gibt.“

Dieckerhoff freut sich über den neuen Schwung für die Zusammenarbeit beider Heilberufe: „Im Fokus einer guten Begleitung der Patienten steht eine sichere, verlässliche Arzneimitteltherapie, gerade bei multimorbiden Krankheiten. Es kann aus unserer Sicht nicht mehr sein, dass dies zur Glückssache wird, sprich nur in den Fällen gut funktioniert, in denen die Kooperation zwischen Apotheke und Arztpraxis bereits gelebte Praxis ist.“ Daher endete die Tagung auch mit dem Wunsch von Dr. Andreas Walter, dass sich der „Geist von Nottuln“ über ganz Westfalen-Lippe ausbreiten möge. Die Stadt Bochum, so Dr. Eckhard Kampe, hat er bereits erreicht: Hier laufen bereits die ersten gemeinsamen Austausche und Projekte von Ärzten und Apothekern an.


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Arm in Arm und Hand in Hand: Gabriele Regina Overwiening (links), Dr. Theodor Windhorst und Barbara Steffens.

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125 Gesundheitsexperten beteiligten sich an der 4. Auflage der Fachtagung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.

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Dr. Andreas Walter (2.v.re) stellte die bereits erzielten Fortschritte im Miteinander von Ärzten und Apothekern heraus.

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