Apotheken im Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und neuen pharmazeutischen Herausforderungen
(Münster, 19. Juni 2013) Die Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe üben den Spagat: Auf der einen Seite lässt sich der deutliche Trend zu Apothekenschließungen nicht stoppen. Auf der anderen Seite hält der demographische Wandel und der Trend zur Polypharmazie neue Herausforderungen für sie bereit. Mit beiden Entwicklungen befassen sich heute die 118 Delegierten des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments auf ihrer Frühjahrssitzung in der Stadthalle Hiltrup.
Bereits zum Jahresende 2012 musste Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening die größte Zahl an Apothekenschließungen in der fast 70-jährigen Geschichte der Apothekerkammer verkünden: Nur 16 Neueröffnungen standen im vergangenen Jahr 73 Schließungen gegenüber. Damit sank die Zahl der Apotheken von 2.184 auf 2.127 und damit auf den niedrigsten Stand seit 1983.
Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat sich diese Entwicklung fortgesetzt: Mit 26 weiteren Schließungen bei nur fünf Neueröffnungen fällt die Gesamtzahl der Apotheken zum 30. Juni 2013 auf nunmehr 2.106. „416 dieser Apotheken werden als Filialen geführt. Somit gibt es in unserem Landesteil nur noch 1.690 selbstständige Apothekenleiter“, ergänzt Overwiening.
Dass fast kein junger Pharmazeut mehr den Sprung in die Selbstständigkeit wage, sei nicht ein Vorbote des demographischen Wandels, so die Kammerpräsidentin: Die Gesamtzahl der in öffentlichen Apotheken, Krankenhausapotheken sowie der in Industrie und Verwaltung tätigen Pharmazeuten steige von Jahr zu Jahr. Es seien die schlechten wirtschaftlichen Perspektiven für Apotheken, die diesen Trend erklärten. Overwiening: „Das belegt auch die Zahl der Arbeitsplätze in allen Apotheken. Sie ist im Jahr 2013 zum fünften Mal in Folge gestiegen – auf nunmehr 14.982.
Kammer richtet „Zentrum für AMTS“ ein
Nur etwas mehr als 50 Prozent aller verordneten Medikamente werden sachgemäß und regelmäßig eingenommen – wie aktuelle Studien zeigen. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen – und nicht nur Ältere – eine Vielzahl von Arzneimitteln gleichzeitig einsetze. Im Fachjargon spricht man von „Polypharmazie“. Für die Apothekerkammer stehe daher das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit (kurz AMTS) ganz oben auf der Agenda, so Overwiening. „AMTS ist als ein Prozess zu verstehen, der die sichere Anwendung von Arzneimitteln, die Begleitung der Therapie und die Vermeidung von Wechselwirkungen umfasst“, erläutert die Kammerpräsidentin.
Patienten mit hoher Therapietreue werden schneller gesund bzw. seltener ins Krankenhaus überwiesen. Overwiening: „Dafür brauchen wir zum einen besonders gut ausgebildete Apotheker und zum anderen ein enges Miteinander mit den Ärzten und Patienten.“ In den vergangenen Monaten hat die Apothekerkammer in einem gemeinsamen Projekt mit den Universitäten Münster, Bonn und Düsseldorf die ersten 84 Pharmazeuten aus insgesamt 50 Apotheken zu sogenannten „AMTS-Managern“ ausgebildet.
Die frischgebackenen AMTS-Manager seien gleichsam als Pioniere tätig, glaubt Overwiening. Schon in wenigen Jahren werde AMTS der Standard für die Versorgung aller Patienten sein. Daher wird die Apothekerkammer zu Jahresbeginn all ihre Informations- und Beratungsangebote in einem „Zentrum für AMTS“ im Apothekerhaus in Münster bündeln, wie die Kammerversammlung beschlossen hat. „So möchten wir möglichst rasch den Weg von einigen Leuchtturm-Apotheken in eine schnelle flächendeckende Verbreitung bewältigen“, lautet das Ansinnen der Kammerpräsidentin.
Die 118 Delegierten des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments tagten bis in die späten Abendstunden und bewältigten eine umfangreiche Tagesordnung. Auf dem Programm standen unter anderem die Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse der Kammer und des ihr angeschlossenen Versorgungswerkes.
Hinweis: Ein Praxisbeispiel "Gesund durch den Alltag – dank AMTS" finden Sie unten zum Download.
STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 7.206 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil. Der überwiegende Teil der Mitglieder ist in öffentlichen Apotheken tätig (über 4.600).
ZAHLEN, DATEN, FAKTEN
In Westfalen-Lippe gibt es 2.106 Apotheken. Das ist der niedrigste Wert seit 1983. Im Gegenzug dazu ist aber die Zahl der Arbeitsplätze auf einen Rekordwert gestiegen – auf exakt 14.971.
Die stärksten Rückgänge waren 2013 in den Städten Dortmund (-8) und Herne (-5) zu verzeichnen. Ahlen, Gelsenkirchen, Münster und Recklinghausen verloren im Jahr 2012 jeweils drei Apotheken. In den Städten Bielefeld, Detmold, Warburg und Witten ging die Zahl der Apotheken um jeweils zwei zurück.
STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das 118-köpfige Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt und tritt mindestens zweimal jährlich zusammen.