Ganz schlechter verspäteter Aprilscherz
(Münster, 31. Juli 2012) Mit einem arg verspäteten Aprilscherz sehen sich derzeit die Apotheker in Westfalen-Lippe konfrontiert: Angeblich gnädige 25 Cent pro verschreibungspflichtiger Packung wollen Bundesgesundheits- und Wirtschaftsministerium den Apotheken zusätzlich geben. Nach neun Jahren ohne Honoraranpassung. „Das sind drei Prozent in neun Jahren", reagiert René Graf, Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, auf die Vorlage der Ministerien, „das kann nur ein schlechter Scherz sein. Würde man das den Lokführern anbieten, stünde unser Land neun Jahre lang still." Statt des verspäteten Aprilscherzes fordert Graf rund das Vierfache: „Die Kosten sind drastisch gestiegen. Viele auferlegte Verwaltungs- und Dokumentationsarbeiten, die wir für die Krankenkassen erledigen, verursachen Mehrkosten", betont Graf, „und uns bietet man nicht mal einen Inflationsausgleich an. Faktisch brauchen wir 9,14 Euro." Und auch dann seien die Apotheken nicht die Kostentreiber: „Nur 2,3 Prozent der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung gingen 2011 an die Apotheken."
So werden Apotheker/innen bezahlt
Seit 2004 bekommen Apothekeninhaber 8,10 Euro pro abgegebener Packung eines ver-schreibungspflichtigen Medikamentes - egal, ob das Medikament 20 oder 2000 Euro kostet. Von diesen 8,10 Euro müssen die Apotheker den Krankenkassen noch einen „Großkun-denrabatt" von 2,05 Euro gewähren, macht unterm Strich 6,05 Euro. Hinzu kommt, dass die Reformen der Schwarz-Gelben Bundesregierung in den Jahren 2011 und 2012 (AMNOG) den Berufsstand bundesweit rund 800 Millionen Euro gekostet haben. Wenn man nun die 25 Cent pro Packung oder 190 Millionen Euro insgesamt als Honorarerhöhung verkauft, „ist das ziemlich böse", so Graf, „man kann doch keinem Menschen zehn Euro klauen, ihm dann drei Euro geben und das Ganze als Lohnerhöhung verkaufen." An den Zuzahlungen der Patien-ten verdienen Apotheken übrigens nicht, die werden direkt an die Krankenkassen durchge-reicht.
Immer weniger Apotheken
In den Innenstädten fällt es nicht auf, aber gerade im ländlichen Bereich gibt es immer weni-ger Apotheken. Allein in Westfalen-Lippe sank die Zahl der Apotheken im Jahr 2011 von 2.203 auf 2.184. Dieser Negativ-Trend setzt sich auch im laufenden Jahr fort. 29 Schließun-gen stehen zehn Neueröffnungen gegenüber. „Das ist der niedrigste Wert seit 25 Jahren", betont René Graf, „gerade auf dem Land tut das den Menschen weh."
Schluss mit Lippenbekenntnissen
„Wir hören immer wieder, wie wichtig die mittelständische Apotheke ist, um die wohnortnahe Versorgung und Betreuung der Patienten sicherzustellen - gerade unter den Vorzeichen des demographischen Wandels. Doch Lippenbekenntnisse allein helfen uns und unseren Patien-ten nicht weiter. Denn die letzte Gesundheitsreform hat die wirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen für die Apotheke weiter verschlechtert." Von 2001 bis 2011, so Graf, seien die Ein-nahmen der Gesetzlichen Krankenkassen um 35 Prozent gestiegen. „Die gleichen Zuwächse sehen wir bei den Honoraren der Ärzte und den Kosten für Krankenhausbehandlungen. Doch das Apothekerhonorar ist - bei wachsenden Leistungen - in diesem Jahrzehnt nur um 2,4 Prozent gestiegen. Das gleicht bei weitem nicht die Inflation aus", kritisiert Graf, ganz zu schweigen von den Kosten, die für Notdienste (2.000 pro Nacht) und Rezepturen (15 Millio-nen Arzneien pro Jahr) wie selbst hergestellte Salben anfallen.
Keine goldene Nase
Die Zeiten, in denen Apotheker automatisch wohlhabend sind, sind längst vorbei. „Zwar gibt es noch einige sehr gut laufende Apotheken, aber für die große Mehrheit wird der Spielraum immer enger. Viele Kollegen kämpfen schlichtweg ums Überleben." Wenn die Apotheken schließen, „werden es die Patienten sein, die darunter leiden, keine wohnortnahe Apotheke mehr zu finden."
Lotsen im Gesundheits-Dschungel
Welch zentrale Rolle die Apotheke im Gesundheitswesen einnimmt, zeigt eine aktuelle, be-völkerungsrepräsentative Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung. 90 Prozent der Befragten fordern eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Apotheker und Arzt, um Unsi-cherheiten und Gefahren der Arzneimitteltherapie vorzubeugen. „Die Studie belegt, dass wir Apothekerinnen und Apotheker mehr denn je als kompetente Arzneimittelfachleute und Lot-sen im Gesundheitsdschungel gebraucht werden", sagt Vizepräsident René Graf.