Apothekerparlament tagt in Münster-Hiltrup

Overwiening: "Stimmungsbarometer unseres Heilberufs auf dem absoluten Tiefstand"

(Münster, 17. November 2010) Deutliche Kritik an der Gesundheitsreform der Bundesregierung prägte die heutige Sitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlamentes in Münster. „Das Stimmungsbarometer unseres Heilberufes ist auf dem absoluten Tiefstand - ebenso wie unser Vertrauen in die Gesundheitspolitik dieser Regierung", sagte Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in ihrem Lagebericht vor den 118 Delegierten.

77 Prozent der Apothekenleiter erwarten - so die aktuelle Erhebung des Branchen-Barometers „Apokix" - dass sich ihre wirtschaftliche Lage ab Januar verschlechtern wird. Nur sechs Prozent der Apotheken schauen zuversichtlich in die Zukunft. „Diese Stimmung spiegelt die miserable Qualität der aktuellen Gesundheitspolitik wider: Die Bundesregierung schüttet bei anderen Leistungserbringern das Füllhorn aus. Apotheker und Patienten dagegen zahlen die Zeche. Wir werden uns daher auch in Zukunft gegen diese verantwortungslose und unfaire Politik zur Wehr setzen", so die Kammerpräsidentin.

Frust über das „AMOK-Gesetz"

In zahlreichen regionalen Informationsveranstaltungen haben die Mitglieder der Kammer bereits ihren Unmut über das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) Luft gemacht. Durch das Gesetz wird jede Apotheke ab Januar 2011 um 9.000 Euro belastet. Diese Summe kann sich sogar noch verdoppeln, wenn der pharmazeutische Großhandel seine Belastung durch das AMNOG - wie bereits angekündigt - an die Apotheken weiterreicht. „Viele unserer Kollegen wollen mit Maßnahmen wie Streiks ein deutliches Signal gegen die ungerechte Gesetzgebung setzen", so Overwiening. Unter den Heilberuflern wird die Reform längst als „AMOK-Gesetz" tituliert.

Für die Kammerpräsidentin ist die Empörung nachvollziehbar: „Der Frust an der Basis war noch nie so groß. Denn es ist politisch unehrlich, auf der einen Seite immer mehr von uns Apothekern einzufordern und gleichzeitig den Klein- und Kleinstunternehmen die Planungssicherheit und ihre Existenzgrundlage zu zerstören. Dennoch plädiere ich für eine Form der politischen Auseinandersetzung, bei der der Patient nicht in Mitleidenschaft gezogen wird." 

Kammerbeiträge werden abgeschmolzen

Der aktuellen und zu erwartenden wirtschaftlichen Lage der Apotheken trägt die Kammer durch eine Beitragsreform Rechnung: Bis zum Jahr 2014 wird die Apothekerkammer die Beiträge für die Apothekenleiter stufenweise um 21,6 Prozent abschmelzen. „Zugleich entwickeln wir mit Hochdruck Angebote für unsere Mitglieder, die es ihnen ermöglichen sollen, bei sinkenden Erträgen und womöglich auch mit weniger Personal die Qualität in der Beratung und Betreuung der Patienten hochzuhalten", erläutert Geschäftsführer Dr. Andreas Walter. Bereits jetzt haben etwa 700 der 2.212 Apotheken in Westfalen-Lippe ein eigenes Qualitätsmanagementsystem (QMS) aufgebaut. Eine heute vorgestellte neue Kammer-Software erleichtert die Einführung von QMS. „Wir sind hocherfreut, dass sich weitere 200 Apotheken in den letzten Wochen für dieses Angebot entschieden haben." 

Neuerlicher Appell: Mehrwertsteuer auf Arzneimittel senken 

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe erwartet aufgrund der demographischen Entwicklung in den nächsten Jahren kontinuierlich steigende Arzneimittelausgaben. „Daher fordern wir weiterhin die Politik auf, über eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel nachzudenken", sagt Vizepräsident René Graf.

Bei einer Senkung auf den ermäßigten Satz in Höhe von 7 Prozent würden die Krankenkassen sage und schreibe 2,8 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. René Graf: „Für den Finanzminister wäre dies ein Nullsummenspiel, denn er könnte um exakt diese Summe seine Zuschüsse an den Gesundheitsfond vermindern." Außerdem ergibt sich ein weiterer Vorteil: Der ungleiche Wettbewerb deutscher Apotheken mit holländischen Versandapotheken würde auf eine fairere Basis gestellt. Denn in Holland gilt schon seit langem auf Arzneimittel ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 6 Prozent. René Graf sagt: „Wenn unsere Regierung auch weiterhin Wirtschaftsförderung für ausländische Versandapotheken betreiben will, sollte sie alles so lassen, wie es ist. Wenn sie für gleichlange Spieße sorgen will und die inländischen Anbieter stärken will, dann ist eine Mehrwertsteuerreform dringend überfällig." 

------------------------------------------------ 

STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 7.000 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil. Der überwiegende Teil der Mitglieder ist in öffentlichen Apotheken tätig (ca. 4.500). In Westfalen-Lippe gibt es 2.212 Apotheken, die über 15.000 Arbeitsplätze bieten.

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das 118-köpfige Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt und tritt mindestens zweimal jährlich zusammen.

STICHWORT: MEHRWERTSTEUER AUF ARZNEIMITTEL
Im Jahr 2009 zahlte die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) insgesamt 4,35 Milliarden Euro Mehrwertsteuer an den Finanzminister. Zum Vergleich: Das Honorar aller 21.500 Apotheken in Deutschland belief sich auf nur 4,2 Milliarden Euro.