(Münster, 26. Mai 2010) Vor weiteren Eingriffen in die Wirtschaftskraft der Apotheken warnt die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening. „Nach 20 Gesundheitsreformen in 19 Jahren ist die Grenze der Belastbarkeit bei den Apotheken überschritten", sagte Overwiening heute in Dortmund im Rahmen der Frühjahrssitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlamentes.

In den letzten fünf Jahren sei der Wertschöpfungsanteil der Apotheken an den Arzneimittelausgaben um ein Sechstel gesunken: „Auf die Apotheken entfallen gerade einmal noch 2,5 Prozent der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen. Wer also propagiert, über weitere Einsparungen im Apothekenbereich das Gesundheitssystem sanieren zu können, lenkt von den wahren Ausgabentreibern und Kostenfaktoren im Gesundheitswesen ab."

Sinkende Roherträge und steigende Personalkosten haben die wirtschaftliche Lage in den Apotheken verschärft. „Dass etwa ein Drittel der Apotheken rote Zahlen schreibt, macht sich jetzt auch in Apothekenschließungen bemerkbar", so Overwiening. Zum Jahresende 2009 war die Zahl der Apotheken in Westfalen-Lippe bereits von 2.243 auf 2.230 gesunken. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist ein weiterer Rückgang auf 2.218 zu konstatieren - der niedrigste Wert seit dem Jahr 2003.

Neuerlicher Appell: Mehrwertsteuer auf Arzneimittel senken

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe erwartet aufgrund der demographischen Entwicklung in den nächsten Jahren kontinuierlich steigende Arzneimittelausgaben. „Daher sollten wir noch einmal ernsthaft über eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel nachdenken", sagt Vizepräsident René Graf.

Gesetzlich Versicherte könnten bis zu 0,2 Prozentpunkte weniger Krankenkassenbeitrag zahlen, falls die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel gesenkt würde. Eine Senkung des allgemeinen Satzes von 19 auf 16 Prozent würde die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) um etwa 700 Mio. Euro pro Jahr entlasten. Bei einer Senkung auf den ermäßigten Satz in Höhe von 7 Prozent würden die Kassen sogar rund 2,8 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Im Jahr 2009 zahlte die GKV insgesamt 4,35 Milliarden Euro Mehrwertsteuer an den Finanzminister. Zum Vergleich: Das Honorar aller 21.500 Apotheken in Deutschland belief sich auf nur 4,2 Milliarden Euro.

Kammerbeiträge für Apothekenleiter sinken

Die schwierige wirtschaftliche Lage der Apotheken schlägt sich auch im Etat der Apothekerkammer nieder: Die 118 Delegierten folgten daher dem Ansinnen der Kammerpräsidentin, die Mitgliedsbeiträge für die Apothekenleiter deutlich abzusenken. Bereits für das Jahr 2011 gibt es eine Beitragsentlastung von zwölf Prozent. Das Angebot für die Mitglieder - von Fort- und Weiterbildung bis zur Rechtsberatung - soll aber keinesfalls reduziert, sondern eher noch ausgebaut worden. „Für das Team in der Kammergeschäftsstelle stellt dieser Schritt eine große Herausforderung dar, die wir aber sehr selbstbewusst annehmen und bewältigen werden", sagt Geschäftsführer Dr. Andreas Walter.

Erstmals seit über 50 Jahren: Dortmund als Tagungsort

Die 118 Delegierten des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments müssen bis in die Abendstunden noch eine umfangreiche Tagesordnung bewältigen. Auf dem Programm stehen unter anderem die Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse der Kammer und des ihr angeschlossenen Versorgungswerkes und diverse Satzungsänderungen. Erstmals seit über 50 Jahren tagt die Kammerversammlung nicht in Münster, sondern in Dortmund: „Mein Ziel ist es, unsere berufsständische Selbstverwaltung stärker an die Basis der Mitglieder zu rücken", betont Gabriele Regina Overwiening. Daher finden die Herbstsitzungen zwar weiter in Münster, die Frühjahrssitzung jedoch an wechselnden Orten in Westfalen-Lippe statt.

STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 7.000 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil. Der überwiegende Teil der Mitglieder ist in öffentlichen Apotheken tätig (ca. 4.500). In Westfalen-Lippe gibt es 2.218 Apotheken, die über 15.000 Arbeitsplätze bieten. 

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das 118-köpfige Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt und tritt mindestens zweimal jährlich zusammen.