„So kann und wird das Apothekenreformgesetz nicht bleiben“
(Münster, 6. August 2024) 150 Apothekerinnen und Apotheker aus den Kreisen Soest und Lippe beteiligten sich am Freitag vergangener Woche und am gestrigen Montag an den Regionalkonferenzen Nummer drei und vier von Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) und Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). Mit den örtlichen Apothekersprechern, Kommunalpolitiker*innen, Landtags- und Bundestagsabgeordneten beleuchtete Moderator Michael Schmitz, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der AKWL, die mittlerweile dramatische Lage des Berufsstandes.
„In den vergangenen 15 Jahren haben wir im Kreis Soest fast 30 Prozent der Apotheken verloren – ein Wert, der sogar noch deutlich über dem schon beängstigen Landestrend liegt“, berichteten Kreisvertrauensapotheker Hermann-Josef Brinkmann und Dr. Horst Heidel, Vorsitzender der Bezirksgruppe Soest des AVWL. Statt 81 Apotheken versorgen jetzt nur noch 57 Apotheken die Bevölkerung im Kreis. „2009 hat eine Apotheke bei uns durchschnittlich 3.750 Patienten versorgt. Jetzt sind es über 5.400 – damit kommen wir in vielerlei Hinsicht an unsere Grenzen“, so Brinkmann. Dr. Horst Heidel fügte hinzu: „Unsere Personalkosten steigen ebenso wie die sonstigen Ausgaben. Nur unsere Vergütung stagniert mehr oder weniger seit fast zwei Jahrzenten“ und verknüpfte dies mit der konkreten Forderung: „Es muss einfach mehr Geld ins System.“
In der anschließenden Diskussionsrunde mit AKWL-Vizepräsident Frank Dieckerhoff und dem AVWL-Vorsitzenden Thomas Rochell nahmen die beiden Bundestagsabgeordneten Fabian Griewel (FDP) und Hans-Jürgen Thies (CDU) diesen Ball direkt auf. Hans-Jürgen Thies forderte eine Erhöhung des packungsbezogenen Honorars „in Richtung 10 Euro“. Dem könne er sich perspektivisch anschließen, so Griewel, der zugleich darauf verwies: „Der letzte Gesundheitsminister, der das apothekerliche Honorar erhöht hat, war Daniel Bahr.“ Von Hermann Gröhe, Jens Spahn und Karl Lauterbach sei in den vergangenen elf Jahren nichts gekommen.
Griewel: Keine Apotheke ohne Apotheker
Obwohl Griewel erst seit wenigen Tagen dem Bundestag als Nachrücker für Agnes Strack-Zimmermann angehört, machte er eine klare Ansage zum Kabinettsentwurf von Karl Lauterbach: Mit dieser Regelung – Apotheke ohne Apotheker – wird das Apothekenreformgesetz nicht das Kabinett verlassen.“ Jutta Maybaum (Grüne), stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Soest, und die Landtagsabgeordnete Dagmar Hanses (ebenfalls Grüne) stellten in ihren Beiträgen vor allem den Wert der wohnortnahen Versorgung heraus. Hanses fügte hinzu: „Als Politikerin aus einer der drei Ampel-Parteien müsste ich eigentlich den Kabinettsentwurf verteidigen. Aber ich habe bisher noch nicht viel gefunden, was ich verteidigen könnte.“
Apothekensterben auch im Kreis Lippe
Zum Wochenstart in Detmold ergab sich ein ähnliches Bild: Hier zeigten die „Lokalmatadoren“ Christian Schmidt (AVWL-Bezirksgruppe Lippe) und Dr. Lars Ruwisch (AKWL-Vorstandsmitglied) ein ebenfalls überdurchschnittliches Apothekensterben auf – einen Rückgang von 97 auf 72 Apotheken im Kreis Lippe binnen 15 Jahren (fast 26 Prozent). „Diese fatale Entwicklung geht an niemandem spurlos vorbei – weder an uns Inhabern noch an unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, so Ruwisch.
„So kann und wird das Apothekenreformgesetz ganz sicher nicht bleiben“, verwies der Grünen- Bundestagsabgeordnete Robin Wagener auf das oft zitierte „Struck’sche Gesetz“, nach dem kein Gesetzesentwurf den Bundestag so verlasse wie er ursprünglich konzipiert sei. CDU-MdB Dr. Oliver Vogt kritisierte die mangelhafte Einbindung des Berufsstandes in die Erarbeitung der Reformvorschläge und stellte ebenso wie Detmolds Bürgermeister Frank Hilker, der auch im Präsidium des Deutschen Städte- und Gemeinderates vertreten ist, den vergleichsweise niedrigen Anteil der Apotheken an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung heraus. Es könne nicht sein, dass Apotheken ausbluteten und zugleich die Krankenkassen an ihre Versicherten teure Hochglanzbroschüren verschickten, so Vogt. Wagener und SPD-Vertreter Dr. Dennis Maelzer verdeutlichten, dass es zum aktuellen Zeitpunkt der Debatte für die Apothekerschaft wichtig sei, eigene Vorschläge in das Gesetzgebungsverfahren einzuspielen – die AKWL-Vize Frank Dieckerhoff und AVWL-Vorstand Jan Harbecke postwendend lieferten.
Am Montag, 12. August, findet in Bielefeld (19:30 Uhr, Hotel Steigenberger am Hauptbahnhof) die bereits fünfte Regionalkonferenz in Westfalen-Lippe statt, bei der Jan Harbecke und Frank Dieckerhoff dann mit sechs weiteren Politikern und gut 100 Apothekerinnen und Apothekern diskutieren werden.
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