Frühjahrssitzung des Apothekerparlamentes

Overwiening: „Wir sichern die Versorgung, die Regierung sorgt für die Verunsicherung“

(Münster, 5. Juni 2024) Die letzte Sitzung des Apothekerparlamentes in der Wahlperiode 2019 bis 2024 nutzte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening zu einem leidenschaftlichen Appell an die Bundesregierung, endlich für eine Stabilisierung der wohnortnahen, inhabergeführten Apotheken zu sorgen.

Overwiening erinnerte die Delegierten an die Frühjahrssitzung vor zwölf Monaten, in der sie die Ampel-Koalition bereits an das im Koalitionsvertrag avisierte und damals schon 18 Monate überfällige Apothekenstärkungsgesetz erinnert hatte und die sich anschließenden bundesweiten Protestaktionen des Berufsstandes. Seither hätten in Deutschland weitere 500 Apotheken ihren Betrieb eingestellt, ein Zehntel davon in Westfalen-Lippe. In den vergangenen zehn Jahren seien die Personalkosten in den Apotheken um drei Viertel gestiegen, die Sachkosten um über 40 Prozent – die Vergütung je Packung aber nur um gut ein Zehntel. „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiß von dieser bedrohlichen Entwicklung, die sich von Monat zu Monat verschärft, unternimmt aber rein gar nichts, um die Apotheken zu stabilisieren“, kritisiert die Kammerpräsidentin.

Dennoch sorgten die Apotheken-Teams landauf und landab für eine zuverlässige, wohnortnahe Versorgung – trotz weiterhin enormer Lieferengpässe und einem seit Monaten chaotisch organisierten Prozess der E-Rezept-Einführung. Das erwidere die Bundesregierung leider nicht mit Respekt und Anerkennung, sondern mit einer Misstrauenskultur. Overwienings leidenschaftlicher Appell an die Ampelkoalition: „Dass staatliche Lenkung allein nicht funktioniert, sehen wir an unserem Straßen- und Schienennetz, am ungenügenden Ausbau von Kita-Plätzen und immer wieder in der Schulpolitik. „Vertrauen Sie endlich auf die Kräfte und die intrinsische Motivation der freien Heilberufe und lassen Sie uns die enormen Herausforderungen in einem konstruktiven Miteinander angehen!“

In ihrem Lagebericht blickte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening auch auf die anstehenden Herausforderungen: Diese würden geprägt vom demographischen Wandel und dem daraus erwachsenden Fachkräftemangel, von mehr zu versorgenden älteren Menschen und einer sich beschleunigenden Digitalisierung „In diesen Zeiten des rasanten Wandels wird das Miteinander der freien Heilberufe ebenso wichtig sein, wie das Vertrauen von Politik und Gesellschaft in die Heilberufe“, so Overwiening, die außerdem eine Bilanz der Kammerarbeit in der allmählich endenden Wahlperiode zog. Sie erinnerten an Meilensteile wie die bundesweit erste Online-Wahl einer Heilberufskammer (2019), die Beteiligung der Apothekerschaft an den Corona-Impfzentren (2021) oder das in diesem Jahr gestartete Gemeinschaftsprojekt „Stationsapotheker:in NRW“, das gemeinsam mit allen Apotheker- und Ärztekammern sowie der Krankenhausgesellschaft NRW und dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker realisiert wird.

Zahl der Apotheken sinkt weiter – seit zwei Jahrzehnten in Folge

Alarmierend sind die Statistiken zur Entwicklung der Apothekenzahlen in Westfalen-Lippe, die mittlerweile seit zwei Jahrzehnten in Folge sinken. Im Jahr 2005 sicherten im Landesteil Westfalen-Lippe noch 2.246 Betriebsstätten die wohnortnahe Arzneimittelversorgung. Zum Stichtag 31. Mai 2024 sind es nur noch 1.692 Apotheken, von denen 456 als Filialen geführt werden.
Overwiening berichtete, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres 20 Apothekenschließungen gerade einmal zwei Neugründungen gegenüberstanden. „Schon jetzt sind uns für den weiteren Verlauf des Jahres 20 weitere Schließungen gemeldet worden“, so die Kammerpräsidentin. Legt man die Entwicklungen der vergangenen Jahre zugrunde, dürfte die Zahl der Apotheken in Westfalen-Lippe bis Ende 2024 auf unter 1.650 fallen.

Apothekerparlament schließt Haushaltsjahr 2023 ab

In der Frühjahrssitzung entlasteten die Delegierten Vorstand und Geschäftsführung und bestätigten den Haushaltsabschluss des Jahres 2023. Insgesamt gut 1,5 Millionen aus den Rücklagen gaben sie mit großer Mehrheit etwa hälftig für zwei Bauvorhaben frei: Im Spätsommer 2024 soll das Flachdach des Apothekerhauses am münsterischen Aasee saniert und ein Teil der Fenster modernisiert werden. Außerdem erhält das Kammergebäude eine Photovoltaikanlage. Eine ähnlich hohe Summe wie für den Ausbau des eigenen Gebäudes soll die Sanierung des Zentrallaboratoriums der Apotheker in Eschborn ermöglichen, an der sich alle Mitgliedskammern per Umlage beteiligen sollen.

STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 8.242 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil, davon stehen 5.618 aktiv im Berufsleben (davon über 80 Prozent in der öffentlichen Apotheke, aber auch in Krankenhausapotheken, Wirtschaft und Verwaltung). In Westfalen-Lippe gibt es aktuell 1.692 Apotheken. Die westfälisch-lippischen Apotheken bieten derzeit 16.632 (Vorjahr: 16.766 wohnortnahe Arbeitsplätze.

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt – aktuell läuft die Kammerwahl für die Wahlperiode 2024 bis 2029, deren Ergebnis am 26. Juni 2024 festgestellt wird. Das Apothekerparlament zählt 97 Delegierte, ab September 2024 bis zu 103 Delegierte.


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Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Fotos: AKWL/Sokolowski

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In der Frühjahrssitzung entlasteten die Delegierten Vorstand und Geschäftsführung und bestätigten den Haushaltsabschluss des Jahres 2023.

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