Apothekenreform ist ein „Trojanisches Pferd“

Lauterbach setzt das bewährte System der Arzneimittelversorgung aufs Spiel

(Münster, 13. Juni 2024) Als völlig verantwortungslos kritisiert Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, den nun bekanntgewordenen Referentenentwurf für ein Apothekenreformgesetz. „Minister Lauterbach hat die Gelegenheit verpasst, unsere konstruktiven Vorschläge zu berücksichtigen und ein Gesetz zur Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung auf den Weg zu bringen“, bemängelt Overwiening. Letzteres werde zwar avisiert, das Gesetz sei jedoch „ein trojanisches Pferd, das das bewährte System der Arzneimittelversorgung in Deutschland aushöhlt. Es untergräbt die Qualität in den Apotheken und führt zu einer weiteren Demotivation der schon jetzt bis an die Grenzen belasteten Apothekenteams.“

Eine detaillierte Betrachtung des Gesetzesvorhabens offenbart, dass unter dieser sogenannten Reform alle Apotheken leiden würden – sowohl die Land- als auch die Stadtapotheken. Die Apotheken brauchen aber weiterhin eine sofort wirksame, wirtschaftliche Stärkung, sonst wird die wohnortnahe Versorgung im kommenden Jahr weiter ausgedünnt. „Sollten die Pläne des Ministers umgesetzt werden, würde dies zu einer schlechteren Versorgung unserer Patientinnen und Patienten führen, da Qualitätseinbußen und Honorarkürzungen in Apotheken vorgesehen sind“, so Overwiening weiter. Sie stellt klar: „Der Entwurf sieht keinerlei Anpassung an die massiv gestiegenen Kosten vor, bringt dafür aber kürzere Öffnungszeiten und weniger qualifiziertes Personal ins Spiel.“

„In den vergangenen zehn Jahren sind die Personalkosten in den Apotheken um drei Viertel gestiegen, die Sachkosten um über 40 Prozent, während das Packungshonorar nicht erhöht wurde.“ Auf diese bedrohliche Entwicklung gibt das Gesetz keine Antwort. Overwiening: „Allein in den vergangenen zwölf Monaten haben in Deutschland weitere 500 Apotheken ihren Betrieb eingestellt. Wird dieser Referentenentwurf Gesetz, wird sich das Apothekensterben noch weiter beschleunigen.“

Die vom Ministerium vorgeschlagenen Pläne zur Umverteilung des Apothekenhonorars sind entgegen den Ausführungen von Lauterbach finanziell nicht neutral, sondern bedeuten eine weitere Kürzung der Vergütung. Höherpreisige Arzneimittel lassen sich dann noch schwerer vorfinanzieren und werden daher von den Apotheken nicht mehr vorrätig gehalten – unabhängig vom Standort der Apotheke. Für Patientinnen und Patienten, die auf solche Arzneimittel und die dazugehörige Beratung angewiesen sind, würde sich die Versorgung deutlich verschlechtern.

Als „absoluten Tabubruch“ bezeichnet Overwiening die vorgesehene Regelung, dass teilweise keine Apothekerin oder Apotheker in der Apotheke präsent sein muss: „Es gibt keine andere Berufsgruppe, die die pharmazeutische Expertise der Apothekerinnen und Apotheker ersetzen kann. Hinzukommen Haftungsfragen, die entstehen, wenn bei Beratungen keine approbierte Fachkraft zur Verfügung steht.“ Die Kammerpräsidentin habe bereits bei Vorlage der ersten Eckpunkte im vergangenen Herbst befürchtet, dass Apotheken unter wirtschaftlichem Druck gezwungen sind, vielen angestellten Apothekerinnen und Apothekern zu kündigen, um Kosten zu sparen. Das Ergebnis wäre eine deutliche Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung. Overwiening kritisiert scharf, dass der Gesetzesentwurf die zu erwartenden Kündigungen von meist weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hochrechnet und den Apotheken als Einsparungen verkauft: „Verantwortungsloser gegenüber Inhabern wie Angestellten der Apotheken kann Politik kaum handeln.“


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Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

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