Apotheken in Westfalen-Lippe im absoluten Krisenmodus

Overwiening: „Wohnortnahe Versorgung steht auf dem Spiel“

(Münster, 5. Dezember 2024) Das Apothekensterben in Westfalen-Lippe verstärkt sich weiter: „In diesem Jahr wird die Zahl der Apotheken in unserem Landesteil im mittlerweile 20. Jahr in Folge zurückgehen“, vermeldete Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening bei der Wintersitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlamentes in Münster. Die Zahl der Betriebsstätten ist im Laufe des Jahres bereits von 1.711 auf 1.673 gesunken. Weitere 19 Schließungen stehen bis zum Jahresende noch an.

Overwiening kritisierte in ihrem Lagebericht vor den 103 Delegierten die in den vergangenen drei Jahren ausgebliebene Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung, obwohl diese im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung festgeschrieben worden war: „Zwei Jahrzehnte Apothekenrückgang sind auch das Ergebnis von zwei Jahrzehnten ohne Honorarerhöhung bei stetig steigenden Personalkosten und einer inzwischen überbordenden Bürokratie“, so die AKWL-Präsidentin, die seit 2021 auch den apothekerlichen Bundesverband ABDA führt und dort am kommenden Mittwoch zur Wiederwahl steht. „Aktuell steht nicht mehr und nicht weniger als die wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten auf dem Spiel“, so Overwiening. „Wir brauchen ein Sofortprogramm zur Stärkung der Apotheke vor Ort!“

Im Rückblick auf das Jahr 2024 gab es allerdings auch Erfreuliches zu vermelden: Erfolgreich hätten die Apotheken-Teams trotz vieler technischer Widrigkeiten die Einführung des E-Rezeptes gemeistert. Inzwischen seien bundesweit über 500 Millionen E-Rezepte eingelöst worden – und das Rezept auf Papier sei inzwischen nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme. In vielen gemeinsamen Projekten, beispielsweise zum Hitzeschutz, zur verbesserten Adhärenz bei der Arzneimitteleinnahme oder zum sorgsamen Umgang mit Antibiotika habe die AKWL zudem erfolgreich den Schulterschluss mit der Ärztekammer geübt. Ausweis des vertrauensvollen Miteinanders der beiden Heilberufe sei nicht zuletzt auch der heutige Tagungsort – in der Geschäftsstelle der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

Haushaltsplan 2025 verabschiedet

Die Delegierten der Kammerversammlung befassten sich in ihrer ganztägigen Sitzung auch mit dem Haushaltsplan für das Jahr 2025. Vorgesehen ist eine Erhöhung des Haushaltsvolumens von 7,73 Prozent (669.000 Euro) auf gut 9,3 Millionen Euro. Mehrere Sondereffekte erklären den Ausgabenzuwachs, der weitgehend durch Entnahmen aus den Rücklagen finanziert wird: 240.000 Euro sind anteilig für die umfangreiche Sanierung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker in Eschborn aufzuwenden, 290.000 Euro für die Stiftungsprofessur der AKWL an der Universität Münster und 50.000 Euro für kleinere Sanierungsmaßnahmen am Kammergebäude. „In den Jahren zuvor haben wir Haushalte mit einem sehr kleinen bzw. gar keinem Ausgabenzuwachs vorgelegt. Das wird auch wieder für den Haushaltsplan 2026 gelten“, kündigte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Michael Schmitz an. Die Delegierten stimmten dem Haushalt bei zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen mit überwältigender Mehrheit zu.

Vom E-Rezept bis zur elektronischen Patientenakte

Anfang 2025 steht bereits ein weiteres großes Digitalisierungsprojekt im Gesundheitswesen an – die Einführung der elektronischen Patientenakte, kurz ePA. Am Donnerstag berichteten Ute Behle (Bereichsleiterin Pharmazeutische Praxis & Arzneimittelinformation) und Stefan Lammers (Bereichsleiter Digitalisierung, IT und Mitgliedschaft) über die zunächst anstehenden Modellvorhaben und den danach folgenden bundesweiten Roll-out. Schon jetzt scheint klar: Aufgrund der enorm technischen Herausforderungen wird sich der ursprünglich vom Bundesgesundheitsminister genannte Zeitplan nicht halten lassen.

STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 8.411 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil, davon stehen 6.214 aktiv im Berufsleben (zu etwa 85 Prozent in der öffentlichen Apotheke, aber auch in Krankenhausapotheken, Wirtschaft und Verwaltung). In Westfalen-Lippe gibt es aktuell 1.673 Apotheken, so wenige wie seit fast 60 Jahren nicht mehr. Die westfälisch-lippischen Apotheken bieten derzeit 16.632 Arbeitsplätze.

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das 103-köpfige Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt, zuletzt im Juni 2024.


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Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening

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Die Delegierten der Kammerversammlung votierten mit großer Mehrheit für den Haushalt der AKWL in 2025. Fotos: AKWL/Sokolowski

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